Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
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»Dieselbe Sonate klingt in einem kleinen Raum anders als in einer großen Halle, vor wenigen, von Abend zu Abend schon vertraut werdenden, geradezu verschworenen, musikverschworenen Zuhörern, und sie klingt auch anders, wie aus der Zeit gefallen, wenn man umgeben ist von religiösen Artefakten, viele Jahrhunderte alt: Im Kölner Diözesanmuseum Kolumba – der vielleicht sonderbarsten, schönsten, eigenwilligsten Kunststätte überhaupt in Deutschland – gab die Pianistin Pi-hsien Chen inmitten der Jahresausstellung eine Serie von beinah schon privaten Konzerten, jeden Monat eins, gewidmet jeweils einem Komponisten, von Bach bis Schönberg. Mehr Konzentration und zugleich Ambiente geht nicht, und so saßen wir Abend für Abend – wer einmal kam, wurde süchtig – buchstäblich zwischen Ikonen, Kruzifixen oder Reliquiaren, das Blickfeld durch die Exponate eingeschränkt, schlossen die Augen oder blickten auf die Skulptur eines Gemarterten, auf eine Monstranz, ein gotisches Ziborium – und hörten zu, eine Stunde, anderthalb, zwei. | Aber nicht nur die Umgebung, in dieser Konzertreihe das Mittelalter, die vornehmlich katholische Kunst, dringt in die Musik ein. Dasselbe Stück klingt auch anders, wenn man es von heute aus versteht. Von der Neuen Musik kommend, Schülerin Stockhausens, spielt Pi-hsien Chen einen Mozart, einen Scarletti, selbst einen Schubert, der alle Erfahrungen der Moderne aufgenommen hat und gerade deshalb wie gereinigt wirkt, gereinigt von den bekannten Betonungen, Tempowechseln, Dramatisierungen. Jeden einzelnen Ton und jeden Widerklang legt sie frei, scheint über jeden Akkord kindlich zu staunen, macht jede Note voneinander unterscheidbar und zugleich in ihrem Zusammenhang erkennbar, verschafft selbst winzigsten Nuancen Achtung. Natürlich ist die Aufführung von ihrer besonderen Person wie auch von dieser Zeit geprägt, und doch ist es anderes als bloße Interpretation, mehr eine Hörbarmachung, als dass es eine Einfühlung behauptet. Damit aber korrespondiert Pi-hsiens Spiel mit den Ikonen, Kruzifixen oder Reliquiaren, insofern diese ebenfalls vorpsychologisch sind, nicht Subjektivität ausdrücken, sondern eine Idee, die für höher gehalten, die nicht einmal übersehen wird. | So bescherte uns das Kolumba eine, ja, transzendente Erfahrung, wie es sie in Gotteshäusern heute nur selten gibt, und dem „heiligen Köln“ eine notwendige flüchtige, nur von wenigen wahrgenommene Wiederkehr. Ein Privileg, anwesend gewesen zu sein. (Navid Kermani, Wer einmal kam, wurde süchtig, in: DIE ZEIT, Nr.50, 4.12.2017, S.46)

»Eine enge Kurve, und schon geht es raus aus dem Alltag. Noch immer, auch nach zehn Jahren noch, sind die ersten Schritte, die aus dem Kassenraum ins Museum führen, eine Überraschung. Hochkunst und Triviales treffen hier in der einmal jährlich wechselnden Ausstellung aufeinander, und immer ist es eine Entdeckung. Hauptsächlich beherbergt das Kolumba Museum, entworfen von Peter Zumthor, christliche Kunst aus Schenkungen, Wohnungsauflösungen und Kirchen; dazu kommen zeitgenössische Kunstwerke. Und allein diese Konfrontation, hier das „Christliche“, dort das „Moderne“, hebt das Kolumba deutlich ab von dem, was andere Museen zeigen. Diesmal allerdings ist es noch einmal anders: Das Römisch-Germanische Museum ist zu Gast. | Gleich zu Beginn des Rundgangs erwartet uns eine überlebensgroße Maske der Medusa, von der man ja weiß, dass sie mit ihrem Blick töten konnte. Sie liegt merkwürdig schräg auf dem Boden, als wäre sie beim Aufbau dort vergessen worden. Sonst, in ihrem Stammhaus, begrüßt Medusa das Publikum von einer Wand hoch oben im Foyer aus und wirkt geradezu angsteinflößend. Hier auf dem Boden sehen wir nur einen abgeschlagenen Kopf. Das Böse scheint besiegt. Warum aber sieht der Sockel aus wie eine Holzpalette? Wurde Medusa doch vergessen? Wohl kaum. Im Kolumba ist jeder Millimeter Kalkül. Wer jetzt noch einmal hinschaut, merkt: Der Kopf ist so zur Fensterfront gerückt, dass die Besucher unbehelligt vom totbringenden Antlitz die nächste Treppe erreichen können. Lachen Sie, wenn Sie sich trauen. Die Akustik des Zumthor-Baus ist so hellhörig wie die eines Kirchenraums. | Pas de deux heißt die aktuelle Schau. Hätte das Römisch-Germanische Museum nicht wegen Renovierung geschlossen, wäre sie womöglich nicht zustande gekommen. Insgesamt acht Kuratorinnen und Kuratoren aus beiden Häusern waren beteiligt: so viel Manpower wie selten für eine einzige Präsentation. Allein die antiken Objekte in diesen großartigen Räumen zu sehen ist ein Gewinn. Doch erst im Nebeneinander mit zeitgenössischer Kunst zeigt sich das gesamte Ausmaß der geglückten Zusammenarbeit. | Die beiden Epochen verschmelzen unvermittelt miteinander, etwa bei den drei Graburnen, die im ersten Obergeschoss neben einem Red Painting von Joseph Marioni zu sehen sind. Fast zweitausend Jahre liegen zwischen dem Acrylbild und den Kalksteingefäßen, deshalb braucht es eine Weile, diese zeitliche Entfernung zu begreifen. Beide Arbeiten sind extrem zurückgenommen: Das Bild geht auf in seiner Funktion als Farbträger, die Urnen dienen als Schutz für die eigentlichen Aschebehälter. Ihre Schmucklosigkeit lässt sie modern aussehen, doch nur Marioni setzt bewusst auf die Abstraktion. Bei den Urnen hilft das Kuratorenteam nach: Ohne Sockel wirken sie wie schlichte Alltagsgegenstände, der spiegelnde Boden verdoppelt sie zu symmetrischen Chiffren des Abstrakten. | Vor allem ist es das wohldosierte Licht, das den Gegenständen einen Resonanzraum gibt. Kaum jemand wird den Schlafenden Heiligen Petrus, eine Holzfigur aus dem 16. Jahrhundert, je so perfekt ausgeleuchtet gesehen haben wie hier im Kolumba. Umgekehrt schiebt das fast schwarze Dunkel des Raumes eine Glasschale des tschechischen Glaskünstlers Jan Adam so weit aus der Zeit, dass ihre unsaubere Glasstruktur und der abgestoßene Rand wie Spuren einer vergangenen Epoche wirken. | Sogar der Titel Pas de deux bekommt seine eigene Inszenierung. Hier tanzen Menschen, Tiere und Monster, der heilige Michael mit einer Teufelin, der Sonnengott Mithras mit dem Stier und schließlich alle mit allen. Die außergewöhnliche Zusammenschau zeigt, wie Tanz und Kampf sich ähneln, wie sehr sie uns binden, uns blind machen für anderes. Zugleich erkennen wir, wie erotisch ein Kampf sein kann: wie verführerisch das Böse, wie anziehend die Stärke. | Licht und Schatten, Wand und Boden schieben auch hier die zeitlich weit entfernten Objekte zusammen. Und so geschickt stellen die Kuratoren einen Bildschirm und eine Vitrine zueinander, dass das Flimmern des Videos die steinerne Sonne über Mithras‘ Haupt zum Flackern bringt. | „Wie man sieht: Man sieht alles“ – steht auf der neuen Stofftasche des Museums. Das Zitat des Komponisten und Installationskünstlers Manos Tsangaris könnte auch heißen: „Alles, was man sieht, gehört dazu .“ Selbst das Publikum ist Teil der Präsentation: In diesem Haus wird alles zur Kunst. | Man könnte es den Kolumba-Effekt nennen. Kritiker bemängeln gelegentlich eine Überästhetisierung: Dieses Museum sei ein Ort, zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich kapselt sich das burgartige Haus nach außen ab, doch geht es dem Kuratorenteam nicht um einen Rückzug aus der Realität. Stefan Kraus, der Direktor des Kolumba, spricht sogar von der „Sprengkraft des Ästhetischen“ und entzieht sein Museum rigoros dem Kommerz. Es gibt keine Events, keine Sonderausstellungen, jeden Tag ist nur von zwölf bis fünf geöffnet. Das schmälert den Publikumszustrom, doch umso stärker ist die Wirkung. Pure Schönheit zu einem Menschenrecht zu erklären, das ist hier die Provokation – und nebenbei eine zutiefst katholische Haltung. | Dass man sich im Kolumba damit nicht ins Wolkenkuckucksheim verabschiedet, zeigt die aktuelle Ausstellung. Sie antwortet sehr konkret und pragmatisch auf die leeren Kassen der Museen, denn allein die Kölner Kunsthäuser könnten jahrelang miteinander Pas de deux tanzen, ohne auf Spitzenwerke verzichten zu müssen. Die Premiere im Kolumba ist von berückender Perfektion.« (Stephanie Jaeckel, Aus der Zeit geschoben, in: DIE ZEIT, Nr.49, 30.11.2017, S.55)

»Die Autoren [Kerstin Kohlenberg und Daniel Müller] offenbaren aber ein seltsames Verhältnis zur Kunst, wenn sie das Soziale gegen die Kunst ausspielen und dafür ausgerechnet das Kölner Diözesan-Museum heranziehen. Als ob nicht auch in der Beschäftigung mit Kunst moralischer Beistand, Sinnstiftung und Nothilfe liegen würden, als ob nicht auch Kunst für viele Menschen "Lebensmittel" wäre.
Unlauter wird der Artikel, wenn das Kolumba in die Nähe von Tebartz-van Elst oder Luxusimmobilien rückt. Kühl und abweisend kann den Zumthor-Bau eigentlich nur jemand nennen, der ihn nie erlebt hat.« (Leserbrief Bernd Heise, Berlin, Die Zeit, 27.2.2014, S. 91)

»Der Bewilligung von 43 Millionen Euro für den Neubau des Kolumba-Kunstmuseums des Erzbistums Köln, der in seinem kühlen, abweisenden Stil sehr an den Skandalbau von Franz-Peter Tebartz van Elst erinnert, stand das Sparprogramm nicht im Wege. Um das Erbe zu bewahren, war ausreichend Geld da.« (Kerstin Kohlenberg und Daniel Müller, Der Geldsegen, Dossier, Die Zeit, 13.2.2014)

»Im Kolumba geht man großzügig mit Platz um, jedoch anders als in manchen Museumsneubauten, deren Vestibüle wie Weihehallen selbstreferenzieller Architektur bildleer bleiben. Hier lässt man den Exponaten mehr Platz, und diese finden einen optischen Resonanzraum bis an die Grenze der Verwunderung.[…] Man könnte das eine antizyklische Erwerbspolitik nennen, hätte man nicht den Eindruck, dieses Museum denke ohnehin azyklisch. Nebenflüsse zählen hier jedenfalls mehr als der Mainstream und solitäre Wirbel mehr als aktuelle Strömungen. So bleibt man auch von dem bequemen Kanon verschont, der inzwischen fast überall von Beuys bis Warhol, von Baselitz bis Twombly durchbuchstabiert wird. Wer dagegen eine Allergie entwickelt hat, findet hier Remedur, denn im Kolumba regiert das Bild und nicht der Name. Der Versuch, das Wertvolle kostbar zu machen, – statt, wie die Pop-Art und ihre Kunstmarktschüler, das Billige teuer –, lässt religiöse Kunst und Kunstreligion aufeinandertreffen. Sie heben sich gegenseitig, ohne dass Konfessionen abzulegen wären, denn es wird schon lange nicht mehr nur religiöse Kunst gesammelt. Aber es ist doch schon eine sehr katholische Mischung aus Bilderlust und Deutungsernst, die das Museum trägt; […] Nachdem zunächst Peter Zumthors bestechender Museumsbau markante Preise auf sich gezogen hatte, ist gerade das Kuratorenteam des Hauses für seine 'Gewitztheit und Solididät' mit dem Museumspreis der Kulturstiftung hbs ausgezeichnet worden; das kann man nur unterschreiben.« (Walter Grasskamp, Hier ist Kunst unbequem, in: DIE ZEIT, 4.6.2009)

»Doch wer die Grenzen zwischen Kunstglauben und Gottglauben aufhebt, landet meist nur im Beliebigkeitsmystizismus. Da wird der Gegenwartskunst eine Spiritualität angedichtet, die sie nicht hat und umgekehrt werden alle Kultgegenstände in eine Kunstsphäre gerückt, in der primär die ästhetischen Werte zählen« (Hanno Rauterberg, Aura der Ruinen, DIE ZEIT, Nr.29, 20.9.2007, S.53)

»Nichts erscheint hier ohne Sinn. Vieles spricht wirklich miteinander…« (Ursula Bode, Die Zeit, 8.4.1999)
 
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»Dieselbe Sonate klingt in einem kleinen Raum anders als in einer großen Halle, vor wenigen, von Abend zu Abend schon vertraut werdenden, geradezu verschworenen, musikverschworenen Zuhörern, und sie klingt auch anders, wie aus der Zeit gefallen, wenn man umgeben ist von religiösen Artefakten, viele Jahrhunderte alt: Im Kölner Diözesanmuseum Kolumba – der vielleicht sonderbarsten, schönsten, eigenwilligsten Kunststätte überhaupt in Deutschland – gab die Pianistin Pi-hsien Chen inmitten der Jahresausstellung eine Serie von beinah schon privaten Konzerten, jeden Monat eins, gewidmet jeweils einem Komponisten, von Bach bis Schönberg. Mehr Konzentration und zugleich Ambiente geht nicht, und so saßen wir Abend für Abend – wer einmal kam, wurde süchtig – buchstäblich zwischen Ikonen, Kruzifixen oder Reliquiaren, das Blickfeld durch die Exponate eingeschränkt, schlossen die Augen oder blickten auf die Skulptur eines Gemarterten, auf eine Monstranz, ein gotisches Ziborium – und hörten zu, eine Stunde, anderthalb, zwei. | Aber nicht nur die Umgebung, in dieser Konzertreihe das Mittelalter, die vornehmlich katholische Kunst, dringt in die Musik ein. Dasselbe Stück klingt auch anders, wenn man es von heute aus versteht. Von der Neuen Musik kommend, Schülerin Stockhausens, spielt Pi-hsien Chen einen Mozart, einen Scarletti, selbst einen Schubert, der alle Erfahrungen der Moderne aufgenommen hat und gerade deshalb wie gereinigt wirkt, gereinigt von den bekannten Betonungen, Tempowechseln, Dramatisierungen. Jeden einzelnen Ton und jeden Widerklang legt sie frei, scheint über jeden Akkord kindlich zu staunen, macht jede Note voneinander unterscheidbar und zugleich in ihrem Zusammenhang erkennbar, verschafft selbst winzigsten Nuancen Achtung. Natürlich ist die Aufführung von ihrer besonderen Person wie auch von dieser Zeit geprägt, und doch ist es anderes als bloße Interpretation, mehr eine Hörbarmachung, als dass es eine Einfühlung behauptet. Damit aber korrespondiert Pi-hsiens Spiel mit den Ikonen, Kruzifixen oder Reliquiaren, insofern diese ebenfalls vorpsychologisch sind, nicht Subjektivität ausdrücken, sondern eine Idee, die für höher gehalten, die nicht einmal übersehen wird. | So bescherte uns das Kolumba eine, ja, transzendente Erfahrung, wie es sie in Gotteshäusern heute nur selten gibt, und dem „heiligen Köln“ eine notwendige flüchtige, nur von wenigen wahrgenommene Wiederkehr. Ein Privileg, anwesend gewesen zu sein. (Navid Kermani, Wer einmal kam, wurde süchtig, in: DIE ZEIT, Nr.50, 4.12.2017, S.46)

»Eine enge Kurve, und schon geht es raus aus dem Alltag. Noch immer, auch nach zehn Jahren noch, sind die ersten Schritte, die aus dem Kassenraum ins Museum führen, eine Überraschung. Hochkunst und Triviales treffen hier in der einmal jährlich wechselnden Ausstellung aufeinander, und immer ist es eine Entdeckung. Hauptsächlich beherbergt das Kolumba Museum, entworfen von Peter Zumthor, christliche Kunst aus Schenkungen, Wohnungsauflösungen und Kirchen; dazu kommen zeitgenössische Kunstwerke. Und allein diese Konfrontation, hier das „Christliche“, dort das „Moderne“, hebt das Kolumba deutlich ab von dem, was andere Museen zeigen. Diesmal allerdings ist es noch einmal anders: Das Römisch-Germanische Museum ist zu Gast. | Gleich zu Beginn des Rundgangs erwartet uns eine überlebensgroße Maske der Medusa, von der man ja weiß, dass sie mit ihrem Blick töten konnte. Sie liegt merkwürdig schräg auf dem Boden, als wäre sie beim Aufbau dort vergessen worden. Sonst, in ihrem Stammhaus, begrüßt Medusa das Publikum von einer Wand hoch oben im Foyer aus und wirkt geradezu angsteinflößend. Hier auf dem Boden sehen wir nur einen abgeschlagenen Kopf. Das Böse scheint besiegt. Warum aber sieht der Sockel aus wie eine Holzpalette? Wurde Medusa doch vergessen? Wohl kaum. Im Kolumba ist jeder Millimeter Kalkül. Wer jetzt noch einmal hinschaut, merkt: Der Kopf ist so zur Fensterfront gerückt, dass die Besucher unbehelligt vom totbringenden Antlitz die nächste Treppe erreichen können. Lachen Sie, wenn Sie sich trauen. Die Akustik des Zumthor-Baus ist so hellhörig wie die eines Kirchenraums. | Pas de deux heißt die aktuelle Schau. Hätte das Römisch-Germanische Museum nicht wegen Renovierung geschlossen, wäre sie womöglich nicht zustande gekommen. Insgesamt acht Kuratorinnen und Kuratoren aus beiden Häusern waren beteiligt: so viel Manpower wie selten für eine einzige Präsentation. Allein die antiken Objekte in diesen großartigen Räumen zu sehen ist ein Gewinn. Doch erst im Nebeneinander mit zeitgenössischer Kunst zeigt sich das gesamte Ausmaß der geglückten Zusammenarbeit. | Die beiden Epochen verschmelzen unvermittelt miteinander, etwa bei den drei Graburnen, die im ersten Obergeschoss neben einem Red Painting von Joseph Marioni zu sehen sind. Fast zweitausend Jahre liegen zwischen dem Acrylbild und den Kalksteingefäßen, deshalb braucht es eine Weile, diese zeitliche Entfernung zu begreifen. Beide Arbeiten sind extrem zurückgenommen: Das Bild geht auf in seiner Funktion als Farbträger, die Urnen dienen als Schutz für die eigentlichen Aschebehälter. Ihre Schmucklosigkeit lässt sie modern aussehen, doch nur Marioni setzt bewusst auf die Abstraktion. Bei den Urnen hilft das Kuratorenteam nach: Ohne Sockel wirken sie wie schlichte Alltagsgegenstände, der spiegelnde Boden verdoppelt sie zu symmetrischen Chiffren des Abstrakten. | Vor allem ist es das wohldosierte Licht, das den Gegenständen einen Resonanzraum gibt. Kaum jemand wird den Schlafenden Heiligen Petrus, eine Holzfigur aus dem 16. Jahrhundert, je so perfekt ausgeleuchtet gesehen haben wie hier im Kolumba. Umgekehrt schiebt das fast schwarze Dunkel des Raumes eine Glasschale des tschechischen Glaskünstlers Jan Adam so weit aus der Zeit, dass ihre unsaubere Glasstruktur und der abgestoßene Rand wie Spuren einer vergangenen Epoche wirken. | Sogar der Titel Pas de deux bekommt seine eigene Inszenierung. Hier tanzen Menschen, Tiere und Monster, der heilige Michael mit einer Teufelin, der Sonnengott Mithras mit dem Stier und schließlich alle mit allen. Die außergewöhnliche Zusammenschau zeigt, wie Tanz und Kampf sich ähneln, wie sehr sie uns binden, uns blind machen für anderes. Zugleich erkennen wir, wie erotisch ein Kampf sein kann: wie verführerisch das Böse, wie anziehend die Stärke. | Licht und Schatten, Wand und Boden schieben auch hier die zeitlich weit entfernten Objekte zusammen. Und so geschickt stellen die Kuratoren einen Bildschirm und eine Vitrine zueinander, dass das Flimmern des Videos die steinerne Sonne über Mithras‘ Haupt zum Flackern bringt. | „Wie man sieht: Man sieht alles“ – steht auf der neuen Stofftasche des Museums. Das Zitat des Komponisten und Installationskünstlers Manos Tsangaris könnte auch heißen: „Alles, was man sieht, gehört dazu .“ Selbst das Publikum ist Teil der Präsentation: In diesem Haus wird alles zur Kunst. | Man könnte es den Kolumba-Effekt nennen. Kritiker bemängeln gelegentlich eine Überästhetisierung: Dieses Museum sei ein Ort, zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich kapselt sich das burgartige Haus nach außen ab, doch geht es dem Kuratorenteam nicht um einen Rückzug aus der Realität. Stefan Kraus, der Direktor des Kolumba, spricht sogar von der „Sprengkraft des Ästhetischen“ und entzieht sein Museum rigoros dem Kommerz. Es gibt keine Events, keine Sonderausstellungen, jeden Tag ist nur von zwölf bis fünf geöffnet. Das schmälert den Publikumszustrom, doch umso stärker ist die Wirkung. Pure Schönheit zu einem Menschenrecht zu erklären, das ist hier die Provokation – und nebenbei eine zutiefst katholische Haltung. | Dass man sich im Kolumba damit nicht ins Wolkenkuckucksheim verabschiedet, zeigt die aktuelle Ausstellung. Sie antwortet sehr konkret und pragmatisch auf die leeren Kassen der Museen, denn allein die Kölner Kunsthäuser könnten jahrelang miteinander Pas de deux tanzen, ohne auf Spitzenwerke verzichten zu müssen. Die Premiere im Kolumba ist von berückender Perfektion.« (Stephanie Jaeckel, Aus der Zeit geschoben, in: DIE ZEIT, Nr.49, 30.11.2017, S.55)

»Die Autoren [Kerstin Kohlenberg und Daniel Müller] offenbaren aber ein seltsames Verhältnis zur Kunst, wenn sie das Soziale gegen die Kunst ausspielen und dafür ausgerechnet das Kölner Diözesan-Museum heranziehen. Als ob nicht auch in der Beschäftigung mit Kunst moralischer Beistand, Sinnstiftung und Nothilfe liegen würden, als ob nicht auch Kunst für viele Menschen "Lebensmittel" wäre.
Unlauter wird der Artikel, wenn das Kolumba in die Nähe von Tebartz-van Elst oder Luxusimmobilien rückt. Kühl und abweisend kann den Zumthor-Bau eigentlich nur jemand nennen, der ihn nie erlebt hat.« (Leserbrief Bernd Heise, Berlin, Die Zeit, 27.2.2014, S. 91)

»Der Bewilligung von 43 Millionen Euro für den Neubau des Kolumba-Kunstmuseums des Erzbistums Köln, der in seinem kühlen, abweisenden Stil sehr an den Skandalbau von Franz-Peter Tebartz van Elst erinnert, stand das Sparprogramm nicht im Wege. Um das Erbe zu bewahren, war ausreichend Geld da.« (Kerstin Kohlenberg und Daniel Müller, Der Geldsegen, Dossier, Die Zeit, 13.2.2014)

»Im Kolumba geht man großzügig mit Platz um, jedoch anders als in manchen Museumsneubauten, deren Vestibüle wie Weihehallen selbstreferenzieller Architektur bildleer bleiben. Hier lässt man den Exponaten mehr Platz, und diese finden einen optischen Resonanzraum bis an die Grenze der Verwunderung.[…] Man könnte das eine antizyklische Erwerbspolitik nennen, hätte man nicht den Eindruck, dieses Museum denke ohnehin azyklisch. Nebenflüsse zählen hier jedenfalls mehr als der Mainstream und solitäre Wirbel mehr als aktuelle Strömungen. So bleibt man auch von dem bequemen Kanon verschont, der inzwischen fast überall von Beuys bis Warhol, von Baselitz bis Twombly durchbuchstabiert wird. Wer dagegen eine Allergie entwickelt hat, findet hier Remedur, denn im Kolumba regiert das Bild und nicht der Name. Der Versuch, das Wertvolle kostbar zu machen, – statt, wie die Pop-Art und ihre Kunstmarktschüler, das Billige teuer –, lässt religiöse Kunst und Kunstreligion aufeinandertreffen. Sie heben sich gegenseitig, ohne dass Konfessionen abzulegen wären, denn es wird schon lange nicht mehr nur religiöse Kunst gesammelt. Aber es ist doch schon eine sehr katholische Mischung aus Bilderlust und Deutungsernst, die das Museum trägt; […] Nachdem zunächst Peter Zumthors bestechender Museumsbau markante Preise auf sich gezogen hatte, ist gerade das Kuratorenteam des Hauses für seine 'Gewitztheit und Solididät' mit dem Museumspreis der Kulturstiftung hbs ausgezeichnet worden; das kann man nur unterschreiben.« (Walter Grasskamp, Hier ist Kunst unbequem, in: DIE ZEIT, 4.6.2009)

»Doch wer die Grenzen zwischen Kunstglauben und Gottglauben aufhebt, landet meist nur im Beliebigkeitsmystizismus. Da wird der Gegenwartskunst eine Spiritualität angedichtet, die sie nicht hat und umgekehrt werden alle Kultgegenstände in eine Kunstsphäre gerückt, in der primär die ästhetischen Werte zählen« (Hanno Rauterberg, Aura der Ruinen, DIE ZEIT, Nr.29, 20.9.2007, S.53)

»Nichts erscheint hier ohne Sinn. Vieles spricht wirklich miteinander…« (Ursula Bode, Die Zeit, 8.4.1999)