1992 Vaticana
9. Oktober 1992 bis 10. Januar 1993
Biblioteca Apostolica Vaticana
Liturgie und Andacht im Mittelalter
Mit der Ausstellung von 88 der schönsten mittelalterlichen Handschriften aus der Vatikanischen Bibliothek eröffnet das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Köln nach einjähriger Renovierung wieder seine Sammlung. Als eine der ältesten Bibliotheken des Abendlandes besitzt die Vaticana weit über 70 000 handgeschriebene Pergament-Codices und eine ebenso große Anzahl von Autographen. Ursprünglich als Privatbibliothek der Päpste angelegt erhielt sie durch gezielte Erwerbungen und zahlreiche Auftragserteilungen an Kopisten und Miniaturisten im Laufe der Jahrhunderte einen schnell anwachsenden, umfangreichen Bestand an Manuskripten unterschiedlichsten Inhalts, der sehr frühzeitig schon, nämlich noch im ausgehenden Mittelalter, auch Gelehrten zum Studium zur Verfügung stand. Die Bemühungen um eine allen Forschungsrichtungen genügende Bibliothek mündeten in der Bulle Papst Sixtus' IV. »Ad decorem militantis Ecclesiae« vom 15.Juni 1475, die in ihrer wissenschaftlichen Zielsetzung gleichsam die Gründungsurkunde der neuzeitlichen Biblioteca Apostolica Vaticana darstellt. Eine Eigenart der Vatikanischen Bibliothek besteht darin, daß seit Anfang des 17. Jahrhunderts die in umfangreichen Übertragungen, Schenkungen, Stiftungen und Ankäufen übernommenen Bibliotheken aus ehemaligem Besitz der aus italienischen Adelsfamilien stammenden Päpste und Kardinäle sowie auch großer Bibliophiler geschlossen in jeweils eigenen »Fondi« aufbewahrt werden, deren Herkunft in ihren Bezeichnungen noch ersichtlich bleibt. In dieser Weise entstanden u.a. der Fondo Palatino, der die »Mutter aller Bibliotheken«, wie die Heidelberger Bibliotheca Palatina schon im 17. Jahrhundert genannt wurde, enthält, der Fondo Reginense mit der Bibliothek der 1689 in Rom gestorbenen Königin Christina von Schweden sowie der Fondo Urbinato mit der berühmten Bibliothek des Federigo da Montefeltro, des Herzogs von Urbino. In Köln sind reich mit Miniaturen ausgestattete Manuskripte aus 1000 Jahren, aus der Zeit vom 6. bis zum 16. Jahrhundert, zu sehen, die der Gestaltung von Liturgie und privater Andacht dienten – einmalige Werke, die meist auf Bestellung individuell angefertigt wurden. Noch bilderlos formulierten frühe Handschriften, wie z. B. der nach seinem eingefärbten Pergament benannte »Codex purpureus« aus dem 6. Jahrhundert, durch die Kostbarkeit des Materials die Authentizität des geschriebenen Wortes. Sakramentare des 8. Jahrhunderts dokumentieren die Suche nach verbindlichen Formen des Kultes, die sich auf die Autorität namhafter Päpste berufen. Erst unter Karl dem Großen kommt es zu einer Vereinheitlichung des Ritus. Der in seiner Hofschule entstandene »Codex Aureus aus Lorsch« und das ottonische »Evangeliar Heinrichs II.« bezeugen die imperiale Einflußnahme auf die Geschichte der Liturgie und der Kirche. Rückbesinnung auf die Antike und auf Byzanz als die durch Alter und Geschichte legitimierten Vorbilder prägen die Miniaturen dieser karolingischen und ottonischen Zeit. Wichtige byzantinische Handschriften wie die »Bibel des Patriziers Leo« und das reich illustrierte »Menologion Kaiser Basileios II.« aus dem 10. Jahrhundert, der berühmte »Codex Benedictus«, seltene Exultet-Rollen und italienische Riesenbibeln aus romanischer Zeit dokumentieren die herausragenden Schwerpunkte der vatikanischen Handschriften-Sammlung. Etwa ein Drittel der Ausstellung ist der in Deutschland bisher noch kaum gezeigten italienischen Buchmalerei des 14. bis 16. Jahrhunderts gewidmet. In der kalligraphischen Schönheit der nach klassischem Ideal ausgewogen komponierten Schriftseiten und der juwelenhaft leuchtenden Farbigkeit der üppigen Ornamentik und großformatigen Bildkompositionen belegen sie die buchkünstlerischen und malerischen Errungenschaften der Renaissance mit eindrucksvollen Beispielen. Dienten einerseits Sakramentare und Missalien, Antiphonare und Gradualien, Evangeliare und Lektionare der in der Gemeinschaft gefeierten Liturgie, so waren es andererseits Psalterien, Breviere und Stundenbücher, die dem mittelalterlichen Menschen Grundlage für die private Andacht boten. Vor allem französische und südniederländische Ateliers waren für die von ihnen hergestellten Andachtsbücher bekannt, deren oftmals verschwenderische Ausstattung sie zugleich zu luxuriösen Bilderbüchern für einen kunstsinnigen Zeitvertreib werden ließ. Auch aus diesem letzten Höhepunkt abendländischer Buchkunst im ausgehenden Mittelalter sowie aus der Blütezeit der Renaissance zeigt die Ausstellung kostbare Cimelien, die niemals zuvor außerhalb des Vatikans zu sehen waren.
(Buchpublikation)
Biblioteca Apostolica Vaticana
Liturgie und Andacht im Mittelalter
Mit der Ausstellung von 88 der schönsten mittelalterlichen Handschriften aus der Vatikanischen Bibliothek eröffnet das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Köln nach einjähriger Renovierung wieder seine Sammlung. Als eine der ältesten Bibliotheken des Abendlandes besitzt die Vaticana weit über 70 000 handgeschriebene Pergament-Codices und eine ebenso große Anzahl von Autographen. Ursprünglich als Privatbibliothek der Päpste angelegt erhielt sie durch gezielte Erwerbungen und zahlreiche Auftragserteilungen an Kopisten und Miniaturisten im Laufe der Jahrhunderte einen schnell anwachsenden, umfangreichen Bestand an Manuskripten unterschiedlichsten Inhalts, der sehr frühzeitig schon, nämlich noch im ausgehenden Mittelalter, auch Gelehrten zum Studium zur Verfügung stand. Die Bemühungen um eine allen Forschungsrichtungen genügende Bibliothek mündeten in der Bulle Papst Sixtus' IV. »Ad decorem militantis Ecclesiae« vom 15.Juni 1475, die in ihrer wissenschaftlichen Zielsetzung gleichsam die Gründungsurkunde der neuzeitlichen Biblioteca Apostolica Vaticana darstellt. Eine Eigenart der Vatikanischen Bibliothek besteht darin, daß seit Anfang des 17. Jahrhunderts die in umfangreichen Übertragungen, Schenkungen, Stiftungen und Ankäufen übernommenen Bibliotheken aus ehemaligem Besitz der aus italienischen Adelsfamilien stammenden Päpste und Kardinäle sowie auch großer Bibliophiler geschlossen in jeweils eigenen »Fondi« aufbewahrt werden, deren Herkunft in ihren Bezeichnungen noch ersichtlich bleibt. In dieser Weise entstanden u.a. der Fondo Palatino, der die »Mutter aller Bibliotheken«, wie die Heidelberger Bibliotheca Palatina schon im 17. Jahrhundert genannt wurde, enthält, der Fondo Reginense mit der Bibliothek der 1689 in Rom gestorbenen Königin Christina von Schweden sowie der Fondo Urbinato mit der berühmten Bibliothek des Federigo da Montefeltro, des Herzogs von Urbino. In Köln sind reich mit Miniaturen ausgestattete Manuskripte aus 1000 Jahren, aus der Zeit vom 6. bis zum 16. Jahrhundert, zu sehen, die der Gestaltung von Liturgie und privater Andacht dienten – einmalige Werke, die meist auf Bestellung individuell angefertigt wurden. Noch bilderlos formulierten frühe Handschriften, wie z. B. der nach seinem eingefärbten Pergament benannte »Codex purpureus« aus dem 6. Jahrhundert, durch die Kostbarkeit des Materials die Authentizität des geschriebenen Wortes. Sakramentare des 8. Jahrhunderts dokumentieren die Suche nach verbindlichen Formen des Kultes, die sich auf die Autorität namhafter Päpste berufen. Erst unter Karl dem Großen kommt es zu einer Vereinheitlichung des Ritus. Der in seiner Hofschule entstandene »Codex Aureus aus Lorsch« und das ottonische »Evangeliar Heinrichs II.« bezeugen die imperiale Einflußnahme auf die Geschichte der Liturgie und der Kirche. Rückbesinnung auf die Antike und auf Byzanz als die durch Alter und Geschichte legitimierten Vorbilder prägen die Miniaturen dieser karolingischen und ottonischen Zeit. Wichtige byzantinische Handschriften wie die »Bibel des Patriziers Leo« und das reich illustrierte »Menologion Kaiser Basileios II.« aus dem 10. Jahrhundert, der berühmte »Codex Benedictus«, seltene Exultet-Rollen und italienische Riesenbibeln aus romanischer Zeit dokumentieren die herausragenden Schwerpunkte der vatikanischen Handschriften-Sammlung. Etwa ein Drittel der Ausstellung ist der in Deutschland bisher noch kaum gezeigten italienischen Buchmalerei des 14. bis 16. Jahrhunderts gewidmet. In der kalligraphischen Schönheit der nach klassischem Ideal ausgewogen komponierten Schriftseiten und der juwelenhaft leuchtenden Farbigkeit der üppigen Ornamentik und großformatigen Bildkompositionen belegen sie die buchkünstlerischen und malerischen Errungenschaften der Renaissance mit eindrucksvollen Beispielen. Dienten einerseits Sakramentare und Missalien, Antiphonare und Gradualien, Evangeliare und Lektionare der in der Gemeinschaft gefeierten Liturgie, so waren es andererseits Psalterien, Breviere und Stundenbücher, die dem mittelalterlichen Menschen Grundlage für die private Andacht boten. Vor allem französische und südniederländische Ateliers waren für die von ihnen hergestellten Andachtsbücher bekannt, deren oftmals verschwenderische Ausstattung sie zugleich zu luxuriösen Bilderbüchern für einen kunstsinnigen Zeitvertreib werden ließ. Auch aus diesem letzten Höhepunkt abendländischer Buchkunst im ausgehenden Mittelalter sowie aus der Blütezeit der Renaissance zeigt die Ausstellung kostbare Cimelien, die niemals zuvor außerhalb des Vatikans zu sehen waren.
(Buchpublikation)