Juli bis September 2004
Heinrich Küpper – Zeichnungen
Sterne für Kolumba – Teil 6
In der Welt von Heinrich Küpper ist die Zeichnung ein undurchdringliches Labyrinth verschiedenster Linien, die sich auf dem Blatt zu einem gleich-mäßigen Gewebe verdichten. Es sind »Handzeichnungen« im wahrsten Sinn, denn der Strich wird auf den kleinformatigen Blättern allein aus der Bewegung der Hand geführt. Das bedingt die Nähe der Zeichnung zur handgeschriebenen Schrift, die sich in der Kunst des 20. Jahrhunderts auf verschiedenste Weise realisiert hat. Am ehesten könnte man Küpper den Surrealisten zuordnen, die Anfang der Zwanziger Jahre im Glauben an die Darstellbarkeit einer höheren Wirklichkeit den Begriff der »écriture automatique« (etwa: automatische Handschrift) etabliert haben, durch die man in der Lage sei, »den wirklichen Ablauf des Denkens auszudrücken« (André Breton, Manifest des Surrealismus, 1924). Daran anknüpfend entwickelte André Masson das »dessin automatique« (automatische Zeichnung), als ein aus Schlaf- oder Traumzuständen gerettetes abstraktes, zeichenhaftes Bild. Auch bei Küpper bleibt die Waage zwischen den vermeintlichen Zeichen eines zu entschlüsselnden Codes und den Gemütszuständen in der Bewegung frei geführter Linien im Gleichgewicht. Trotz dieser Nähe zum Surrealismus liegen Küppers Wurzeln zuerst in der erfahrbaren Wirklichkeit, deren Beobachtungen sich in seinen Zeichnungen verselbständigen. Zeichen und Strukturen, aber auch Farbe und Rhythmik seiner Liniengewebe lassen sich am ehesten mit Naturerfahrungen in Verbindung bringen, etwa dem Tanz der Mücken im Spätsommer. Wem dieses Bild zu konkret ist, der mag sich allein an dem ornamentalen Reichtum dieser Blätter erfreuen. Unsere Sommerausstellung aus Anlass des 85. Geburtstages von Heinrich Küpper zeigt die jüngst entstandene Werkgruppe dieses rastlosen Zeichners, dem Kolumba überdies die Schenkung einer umfangreichen Sammlung von Devotionalien verdankt.
(Künstlerheft)