28. Juli 2022, 18 Uhr
Die Textilien aus der Genisa in Niederzissen
Vortrag von Dr. Linda Wiesner
2011 wurde in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen eine umfangreiche Genisa geborgen. Genisot resultierten aus dem religiösen Verbot, nicht mehr verwendete religiöse Schriften und Gegenstände einfach wegzuwerfen, was in den jüdischen Landgemeinden zu dem Brauch führte, sie meist auf dem Dachboden der Synagoge zu deponieren. Die meisten solcher Ablageräume wurden seit den 1980er Jahren in neuzeitlichen Synagogen von Landgemeinden vor allem im süddeutschen Raum gefunden. Den Großteil bilden in diesen Funden handgeschriebene und gedruckte Schriftstücke. Textilien für den synagogalen und individuellen Gebrauch sind meist nur Marginalfunde. Eine Ausnahme bildet der Fund aus der Genisa der ehemaligen Synagoge in Niederzissen. Der rund 300 Objekte umfassende Textilbestand, in dem sich unter anderem Toramäntel und -vorhänge, kleine Gebetsmäntel und Torawickelbänder finden, stellt damit ein außerordentlich seltenes Kulturdokument des deutschen Landjudentums dar. Der Vortrag stellt die Textilfunde aus dieser Genisa vor und zeigt anhand ausgewählter Beispiele die Bedeutung der Objekte als Zeugnisse der materiellen Kultur des Landjudentums im deutschsprachigen Raum auf. Linda Wiesner studierte Jüdische Studien sowie Germanistik, Neuere und Neueste Geschichte und Musikwissenschaft in Heidelberg, Graz und Dresden. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit dem Textilfund in Niederzissen. Unter dem Titel »Stoffgeschichten. Kulturhistorische Zeugnisse einer jüdischen Landgemeinde aus der Genisa in Niederzissen« ist diese im Universitätsverlag Winter (Heidelberg) erschienen.